Alopecia Areata wird in der Internetwelt in mancher Hinsicht noch sehr ungenügend, steif und ernst angegangen. Um Hilfe und Tipps im Netz zu erhalten, erfordert es unter Umständen einige Zeit an Recherche bis die richtigen Seiten gefunden werden.
Der Verein Alopecia Areata Deutschland ist natürlich als erste Anlaufstelle zu erwähnen. Nirgends bekommen Betroffene kompetentere Hilfe. Darüber hinaus wächst die Zahl an Betroffenen, die schon eine kleine Weile im Netz und auch auf der Straße für Aufklärung sorgen. Zu nennen sind da ganz weit vorne dabei Jenny Latz, die Mutter der Alopecia Aufklärung. Sie ist als Hair Coach unterwegs. Weiter zu erwähnen sind Alopeciagesichter, die mit einem tollen Video auf Alopezie aufmerksam machen und das Projekt „Schönlinge“, welches als Fotoprojekt von kreisrundem Haarausfall betroffene Frauen in ihrer Natürlichkeit darstellt.
Alopecia und bloggen
Aber auch in der Blogwelt rüttelt und schüttelt es. Ich habe vor ca. 1 Jahr angefangen zu bloggen, weil ich vergeblich im Netz nach Seiten suchte die das Thema Alopecia, nicht mit der oft vorherrschenden informativen Trockenheit und Schwermütigkeit, behandeln.
Mir fehlte Regenbogenfarbe und Leichtigkeit in den Texten. Alopecia ist nichts, was uns Tod unglücklich machen sollte. Es ist etwas, dass uns ausmacht und uns besonders werden lässt. Wir können damit spielen und uns auf verschiedene Weise präsentieren.
Durch meine intensive Auseinandersetzung mit Alopecia und bloggen, stieß ich auf eine Bloggerin, die selber seit Jahren mit Alopecia lebt und den Leser auf eine sehr angenehme Art mitnimmt in die Welt ihrer Auseinandersetzung mit den Auf und Ab‘s der Erkrankung.
Die liebe Sandra und ihr Blog Storfine.
Sandra erlebt Alopecia, ganz anders als ich, schleichend. Ihre Haare fallen aus und wachsen wieder, fallen aus und wachsen wieder. Ein Umstand der voll ist mit Hoffnungen und Niederlagen. Doch sie kämpft. Jeden Tag aufs Neue kämpft sie um ihre Haare.
“Ich möchte einfach […] zeigen, dass Haare nicht alles im Leben sind.”
Sandra hat eine ganz andere Perspektive auf Alopecia Areata als ich, was mich zu einem Interview mit Sandra bewegte.
Maria: Hallo Sandra. Ich freue mich, dass du dir die Zeit für ein kurzes Gespräch mit mir nimmst. Ich habe deinen Blog durchforstet und herausgefunden, dass dir die Bloggerszene nicht neu ist. Du zählst quasi zu den Greisen in diesem Bereich. Seit wievielen Jahren bloggst du schon?
Sandra: Ich blogge inzwischen schon seit rund 14 Jahren. Angefangen hat alles mit dem sog. Tagebuch-Blogging über alles, was mich bewegt hat. Irgendwann kam dann auch ein Testblog dazu, den ich inzwischen auch seit über 8 Jahren befülle.
Mit meinen ursprünglichen Blogs konnte ich mich irgendwann nicht mehr identifizieren und habe diese gelöscht. Ganz ohne Blogs geht es aber nicht und so habe ich auf Storfine wieder angefangen darüber zu bloggen, was mich bewegt. Der Schwerpunkt sollte hier aber bei meinem kreisrunden Haarausfall liegen.
Maria: Was hat dich dazu bewegt über deine Erkrankung Alopecia Areata zu bloggen?
Sandra: Der Grund war schlichtweg einfach, dass diese Erkrankung einfach noch viel zu wenig bekannt (und erforscht) ist. Es leiden so viele Menschen darunter, die sich schämen und für die ein Umgang damit sehr, sehr schwer ist.
Diesen Menschen wollte ich zeigen, dass sie keinesfalls allein sind. Ich möchte ihnen einerseits Informationen über die Erkrankung geben und andererseits erzählen, wie ich damit umgehe.
Und ich möchte ihnen Mut machen. Daher erzähle ich auch von allen up and downs, die mich in meinem Leben begleiten. Von den blöden Bemerkungen wildfremder Leute schreibe ich ebenso, wie von den positiven Erlebnissen, die mich seit der Erkrankung begleiten.
Ich möchte einfach auf uns und unsere Erkrankung hinweisen und zeigen, dass Haare nicht alles im Leben sind. Man kann mich hierzu auch jederzeit anschreiben. Ich helfe gerne, wenn ich kann.
“Ich war in jeglicher Hinsicht erfolgreich.[…] dann kamen aber die Erkrankungen dazu und ich fiel erst einmal in ein tiefes Loch. Und da blieb ich dann tatsächlich auch viele Jahre.”
Maria: Seit 13 Jahren lebst du mit Alopecia. Das ist jedoch nicht die einzige Autoimmunerkrankung, die bei dir festgestellt wurde. Zur gleichen Zeit wurde bei dir auch Hashimoto Thyreoditis diagnostiziert. Vor kurzem kam auch noch eine Lipödem Diagnose dazu. Wie haben die Erkrankungen deine Sicht auf dich selbst und dein Gefühl für Schönheit verändert?
Sandra: Um die Frage zu beantworten, muss ich wohl weiter ausholen. Ich war ja noch nie so richtig schlank, dennoch empfand ich mich immer als schön. Mein Leben bestätigte mir das auch immer. Ob im Job oder auch mit Männern gab es nie Probleme. Ich war in jeglicher Hinsicht erfolgreich.
In dieser Zeit lernte ich auch meinen Mann kennen und lieben. Bald darauf kam unser Sohn zur Welt. Wir waren einfach glücklich.
Ausgelöst durch die damit verbundene Hormonumstellung kamen dann aber die Erkrankungen dazu und ich fiel erst einmal in ein tiefes Loch. Und da blieb ich dann tatsächlich auch viele Jahre. Ich fühlte mich hässlich und ungeliebt. Auch wenn mir mein Mann immer wieder bestätigte, dass er mich so liebt, wie ich eben bin, kam das nicht mehr so richtig bei mir an. Ich habe es ihm auch ehrlich nicht mehr geglaubt. Zeitweise war ich wohl auch depressiv und liess mich gehen. Ich nahm extrem zu. Irgendwann habe ich alle Tabletten einfach abgesetzt und bin nicht mehr zum Arzt gegangen.
“Es ist nicht wichtig, wie wir sein sollen. Es ist nur wichtig, wie wir sein wollen.”
Bis es gesundheitlich eben nichts mehr ging. Da habe ich die Reißleine gezogen und mich aus dem Tief befreit.
Mir wurde immer mehr klar, dass ich nicht jedem Menschen gefallen muss. Es ist wichtig, auf sich selbst zu achten. Sich selbst zu lieben.
Man muss kein Modell sein oder dem klassischen Schönheitsideal entsprechen, um tatsächlich schön zu sein.
Jeder Mensch ist anders. Gerade dieses Facettenreichtum ist das Besondere an jeder einzelnen Person. Es ist nicht wichtig, wie wir sein sollen. Es ist nur wichtig, wie wir sein wollen.
Leider ist das vielen jungen Menschen (noch) nicht bewusst. Allerdings hoffe ich so sehr, dass sich möglichst Wenige von dem „Idealbild“ eines Menschen beeinflussen lassen.
Maria: Dein Haarausfall ist mit vielen Höhen und Tiefen verbunden. Lange Zeit hast du auch versucht mit Kortison dagegen vorzugehen. Das alles ist mit einem enormen Leidensweg verbunden und Ängsten und Sorgen, gegen die du ankämpfst. Was motiviert dich jeden Tag aufs Neue den Kampf gegen Alopecia anzutreten?
Sandra: Ich mich selbst! Ja wirklich…
Ich bin ein durchweg positiv eingestellter Mensch. Ein Tag ohne ein Lächeln gibt es bei mir nicht. Und wenn es mir noch so schlecht geht. Frei nach dem Motto „Alles wird gut…“ motiviere ich mich jeden Tag aufs Neue. Dabei stelle ich mich auch tatsächlich vor den Spiegel und mache mir selbst Mut. Das funktioniert tatsächlich.
Natürlich freue ich mich aber auch über ehrlich gemeinte Komplimente im Bezug mit dem Umgang der Krankheit und meinem Aussehen. Ich würde lügen, wenn ich nicht zugeben würde, wie sehr mich liebe Worte aufbauen.
A und O ist aber natürlich eine Familie, die hinter einem steht! Und eben man selbst.
“Wir sind ganz einfach „perfectly imperfect“ – egal, welchen Haarstatus wir haben.”
Maria: Von April ´17 bis September ´17 hast du ein monatliches Haarupdate für deine Leser geführt. Was hat sich seit September an deinen Haaren verändert?
Sandra: Nicht sehr viel. Ausgehend von meinem letzten gezeigten Bild im September sind zwar seitlich ein paar Haare nachgewachsen, diese dafür aber am Hinterkopf und im Stirnbereich ausgefallen.
Um hier die Veränderungen zu sehen, muss man schon genau hinsehen.
Da ich nun immer wieder mein Haarteil für rund einen Monat trage, gibt es da auch nicht ganz so viel zu berichten. Weiterhin belasten mich meine Haarprobleme im Moment relativ wenig. Ich kann also gar nicht Vieles dazu schreiben.
Aber ich habe mir vorgenommen, dass es jetzt – wie bei meiner Abnahme – alle drei Monate ein Update gibt.
Maria: Wie kaschierst du deinen Haarausfall zurzeit?
Sandra: Derzeit trage ich ein Haarteil, dass immer 3 – 4 Wochen hält und dann aufs Neue befestigt werden muss. Zu meiner Zweithaarspezialistin fahre ich allerdings inzwischen nur noch alle 6 – 8 Wochen. In der Zwischenzeit trage ich eben Tücher, Beanies, Mützen und seit Neuestem versuche ich mich auch im Turban wickeln.
Zu Hause oder im privaten Umfeld zeige ich mich so, wie ich eben bin. Mit komischen Flusen auf dem Kopf.
Maria: Du gehst sehr offen mit deiner Gefühlswelt um und verwandelst diese in tolle Artikel. Signalisierst deinen Lesern aber auch, dass der Umgang mit deiner Erkrankung für Andere nicht immer einfach ist und du auch mit negativer Resonanz umzugehen hast. Was hilft dir dabei wieder deine innere Ruhe zu finden?
Sandra: Die Zeit, die ich mir ganz bewusst für mich nehme. Diese muss zwar berufsbedingt und familiär geplant werden, ist aber unglaublich wichtig für mich und meine Seele. Sei es nur ein gutes Buch, Mädelsabende mit Freundinnen, ein heisses Bad, Sport oder auch Kurzurlaube. Das und vieles mehr sind Dinge, die mich wieder erden.
Maria: Zum Abschluss würde ich noch gerne von dir wissen wollen, welches Wort oder Satzgefüge uns Alopecians, aus deiner Sicht, am besten beschreibt.
Sandra: Wir sind ganz einfach „perfectly imperfect“ – egal, welchen Haarstatus wir haben. Uns fehlt halt einfach etwas. Gut, dass es nur Haare sind.